Piano-Solo in Perfektion

Rezension der neuen Solo CD Blues Colours von  Blues News.ch – Das Schweizer Bluesportal (11/2013) :

„Für sein neuestes Projekt hat sich der Süddeutsche Pianist Thomas Scheytt vorgenommen, eine CD mit Piano-Instrumentalstücken einzuspielen. (Bei anderen Gelegenheiten spielte er schon in der Boogie Connection oder im Duo mit Ignaz Netzer.) Das ist mutig, denn es gibt leider immer wieder Banausen, für die Solo-Piano immer nur Bar- oder Elevator-Musik ist. Thomas Scheytt tritt hier an,  allen Banausen das Gegenteil zu beweisen. Vom Boogie bis zu „Georgia on my Mind“ ist alles dabei, was das Klavier hergibt im Blues- und Boogie-Bereich,  vorgetragen mit der Virtuosität eines geübten und erfahrenen Pianisten. Wenn man sich auf den musikalischen Trip in das Land des Pianos einlässt, zeigt Thomas Scheytt die Vielseitigkeit und mitreissende Qualität dieses Instruments. Scheytt ist einer der grossen Blues- und Ragtime-Könner und dieses Album ist eine Tour de Force,  scheinbar ohne Anstrengung gespielt.

Thomas Scheytts Können zeigt sich in der Art, wie er mit seinem Piano eine Stimmung erzeugt. Er ruft  fröhliche, klagende, traurige, stolze und eine Vielzahl weiterer Gefühle auf mit einem Anschlag, einer kurzen Phrase –  Ausdruck seiner Erfahrung wie seiner Person.  Durch diese Herangehensweise hat Scheytt das zuhörende Publikum mit dem ersten Anschlag im Griff, er weiss in jeder Sekunde genau, was er tut und weshalb. Seine Musik ist zu komplex, um ganz leicht gespielt zu werden. Diese Fähigkeit ist es, was ihn besonders auszeichnet, mehr als seine perlenden Anschläge, die präzise gespielten Arpeggien oder die transparenten Akkorde. Da spielt ein wunderbarer Musiker, nicht nur ein  Pianist.

 

Thomas Scheytt 2013 | Foto: Julien Schafer

Foto: Julien Schafer

Aber auch schon der Pianist ist beeindruckend. Die linke Hand wandert im bezeichnenderweise „Walking Bass“ genannten Stück auf eine Art, die viele Pianospieler vor Neid wird erblassen lassen. „Hello, Mary Ann“ klingt mehr nach Wildwest-Saloon-Piano als nach den Baumwollfeldern, ein entspannter Ragtime, wunderbar. Jeder der 13 Titel (CD hat eine Gesamtlänge von 43 Minuten) kommt mit ureigenem Charakter daher. Wenn ein Schlagzeug hinzu kommt, ist dies Boogie Connection Drummer Hiram Mutschler, man ist schliesslich aufeinander eingespielt.

Die Vorbilder werden weniger zitiert als in Form einer Anspielung in die Musik eingebracht. So ist „Loretto Infirmary“ klar am musikalischen Vorbild St. James Infirmary angelehnt, aber es bleibt ein eigenständiger Titel. Das Album hat ein bluesiges Feeling auch in Titeln wie dem hymnischen „Summer Night“, das mehr an Oscar Peterson erinnert denn an Bluesmänner wie Little Brother Montgomery. „Out of the Dark“ ist eine sehr düstere instrumentale Erzählung, die bei Johnny Cashs dunkelsten Phantasien zu beginnen scheint und dann durch „Morning Dance“ gerettet wird. Grosses Kino! Unvermeidlich ist ein Boogie-Woogie-Titel, der hier als „Flowerstreet Express“ anrollt. Auch diesem Format haucht Scheytt Frische ein.

Zusammenfassend kann man sagen, dass ein Mann mit 88 Tasten und etwas Hilfe von Freunden nicht viel mehr schaffen kann als dies, eine vom ersten bis zum letzten Ton perfekte Piano-Instrumental-CD.  Thomas Scheytt ist ein Meister.

Marc Winter | Redaktion Musik